Bei weniger als 1,6 Promille eine MPU?
- excerpt: Erstmalige Trunkenheitsfahrt bis 1,6 Promille: Keine MPU (medizinisch-psychologisches Gutachten). Oder doch?
Keine MPU bei erstmaliger Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille. Oder doch?
Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit zwei Urteilen vom 06.04.2017 (AZ: 3 C 24.15 und 3 C 13.16) entschieden, dass nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt und Entziehung der Fahrerlaubnis im Strafverfahren mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille nicht allein wegen dieser Trunkenheitsfahrt ein medizinisch-psychologisches-Fahreignungsgutachten (MPU) verlangt werden kann.
Denn nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtfertige eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.
Nunmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht in einer brandneuen Entscheidung mit solchen „weiteren aussagekräftigen Tatsachen“ beschäftigt.
Mit Urteil vom 17. März 2021 hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) beizubringen ist, wenn bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille vorliegt, aber trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden.
In einem solchen Fall begründen, wie § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) voraussetzt, sonstige Tatsachen die Annahme von (künftigem) Alkoholmissbrauch. Die dadurch hervorgerufenen Zweifel an der Fahreignung hat die Fahrerlaubnisbehörde nach dieser Vorschrift durch die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu klären.
Die Verwaltungsrichter sahen in der Tatsache, dass bei der vorliegenden Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille aufwärts aber unter 1,6 Promille keine Ausfallerscheinungen festgestellt worden sind, Anhaltspunkte für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung. Dies stelle eine aussagekräftige Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Alt. 2 FeV da, die die Anordnung einer MPU auch bei einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,6 Promille rechtfertige.
Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 17.03.2021 (AZ: 3 C 3.20) entschieden.
Eine Garantie, dass im Falle einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille keinesfalls eine MPU angeordnet wird, gibt es also nicht (mehr). Allen Betroffenen kann nur geraten werden, sich rechtzeitig, d. h. bereits im Strafverfahren anwaltlich vertreten zu lassen.
Melden Sie sich in derartigen Fällen bei uns, wir helfen Ihnen gerne weiter.
Olaf Meyer – Fachanwalt für Verkehrsrecht
Foto: kelifamily #134492925